Die Sonne in flüssiger Form: Wie Solarturmkraftwerke und Schmelzsalzspeicher die Energie der Nacht sichern
Die Kraft der Sonne ist unermesslich. Doch sie hat eine entscheidende Schwäche: Sie liefert ihre Energie nur am Tag, und ihre Intensität variiert je nach Wetterlage. Dies macht Solarenergie zu einer nur schwer planbaren Größe in unserem Stromnetz. Doch was wäre, wenn wir die intensive Mittagssonne einfangen und sie in einer Form speichern könnten, die bis in die Abendstunden und die Nacht hinein Strom liefert? Was, wenn wir die Sonnenenergie in eine Art „flüssige Sonne“ verwandeln könnten? Genau das ist die geniale Idee hinter Solarturmkraftwerken und ihren thermischen Speichern – eine weniger bekannte, aber revolutionäre Technologie, die die Stromerzeugung aus Sonnenlicht in eine verlässliche 24/7-Quelle verwandelt.
In diesem Artikel tauchen wir in das faszinierende Zusammenspiel von riesigen Spiegeln, einem glühenden Turm und einem flüssigen Salzgemisch ein, um zu verstehen, wie diese Kraftwerke die entscheidende Brücke zwischen Tag und Nacht schlagen und damit eine unverzichtbare Säule der globalen Energiewende darstellen.
Wie funktioniert ein Solarturmkraftwerk? Ein faszinierendes Zusammenspiel
Ein Solarturmkraftwerk (auch CSP für Concentrated Solar Power genannt) ist eine Art riesiges optisches System, das Sonnenlicht fokussiert, um Wärme zu erzeugen. Die Funktionsweise ist in mehrere Schritte unterteilt:
Das Heliostaten-Feld: Auf einem riesigen Feld sind Hunderte oder Tausende von spiegelnden Spiegeln – den sogenannten Heliostaten – angebracht. Jeder Heliostat ist computergesteuert und dreht sich präzise mit der Sonne, um deren Strahlen zu sammeln und auf einen einzigen Punkt zu lenken.
Der Solarturm mit dem Receiver: Der Sammelpunkt für all diese konzentrierten Sonnenstrahlen ist ein massiver, zentraler Turm. An der Spitze dieses Turms befindet sich der sogenannte Receiver, eine Art Hohlraum, durch den eine Flüssigkeit fließt.
Die Umwandlung in Wärme: Die gebündelten Sonnenstrahlen heizen die Flüssigkeit im Receiver auf extreme Temperaturen von bis zu 565 °C oder mehr. Der Clou an der Sache: Diese Flüssigkeit ist kein Wasser, sondern ein spezielles geschmolzenes Salzgemisch.
Der Thermische Speicher: Das überhitzte Salz wird in einen isolierten „heißen Tank“ gepumpt und dort gespeichert. Diese Tanks können die Wärmeenergie über viele Stunden, ja sogar über die gesamte Nacht hinweg, verlustarm speichern. Das ist der entscheidende Unterschied zu Photovoltaik-Anlagen, die keinen integrierten Speicher haben.
Die Stromerzeugung: Bei Bedarf – insbesondere dann, wenn die Sonne nicht scheint – wird das heiße Salz aus dem Speicher in einen Wärmetauscher geleitet. Dort gibt es seine Hitze an Wasser ab, das in Dampf umgewandelt wird. Dieser Hochdruckdampf treibt eine klassische Dampfturbine an, die an einen Generator gekoppelt ist, um elektrischen Strom zu erzeugen. Das abgekühlte Salz fließt dann in einen „kalten Tank“ zurück, von wo aus der Kreislauf am nächsten Sonnentag von Neuem beginnt.
Dieses Prinzip ermöglicht es, die Stromproduktion komplett zu entkoppeln von der direkten Sonneneinstrahlung. Die Energie wird in Form von Wärme in den Salzspeichern gesammelt, und der Strom wird erst dann erzeugt, wenn er wirklich benötigt wird.
Die unschlagbaren Vorteile des thermischen Speichers
Während Solarturmkraftwerke in der öffentlichen Wahrnehmung oft hinter der Photovoltaik zurückstehen, bieten ihre thermischen Speicher entscheidende Vorteile für eine stabile Energieversorgung.
Echter 24/7-Solarstrom: Solarturmkraftwerke mit Schmelzsalzspeichern sind die einzige Solartechnologie, die rund um die Uhr und bei Bedarf zuverlässig Strom liefern kann. Sie können die Leistung über Nacht oder bei bewölktem Himmel aufrechterhalten.
Hohe Speicherkapazität: Die Menge an Energie, die in einem einzigen Schmelzsalztank gespeichert werden kann, ist enorm. Sie können die volle Kapazität für bis zu 10 Stunden oder länger aufrechterhalten, was ausreicht, um die nächtliche Stromlücke komplett zu überbrücken.
Effiziente Umwandlung: Die Umwandlung von Wärme in Strom mittels Dampfturbine ist eine ausgereifte und effiziente Technologie, die in konventionellen Kraftwerken seit Jahrzehnten eingesetzt wird. Die Effizienz ist vergleichbar mit konventionellen Kraftwerken.
Umweltfreundlichkeit: Das Speichermedium (Salz) ist ungiftig, nicht brennbar und weltweit reichlich vorhanden. Das macht die Technologie langfristig nachhaltig.
Praxisbeispiele: Solartürme als Leuchttürme der Energiewende
Weltweit gibt es bereits beeindruckende Solarturmkraftwerke, die zeigen, welches Potenzial in der Technologie steckt.
Der Noor Ouarzazate Komplex, Marokko: Dieses Kraftwerk in der Sahara ist eines der größten Solarkraftwerke der Welt. Es kombiniert Photovoltaik mit verschiedenen CSP-Technologien, darunter auch Solartürme mit Schmelzsalzspeichern. Der Noor III Turm in diesem Komplex kann mit seinen thermischen Speichern bis zu 7 Stunden lang nach Sonnenuntergang Strom liefern. Er zeigt, wie Marokko die Sonnenenergie nutzt, um die Energieversorgung des ganzen Landes zu sichern. Mehr zu diesem wegweisenden Projekt finden Sie in diesem Bericht der Weltbank: Weltbank – Noor Ouarzazate
Andasol 1 & 2, Spanien: Diese Anlagen in Andalusien waren Pioniere in Europa. Sie waren die ersten kommerziellen Parabolrinnen-Kraftwerke, die thermische Speicher nutzten, um die Stromproduktion in die Abendstunden zu verlängern. Sie zeigen, wie Europa die Sonnenkraft intelligent nutzen kann.
Herausforderungen und die Zukunft der Schmelzsalzspeicher
Trotz ihrer beeindruckenden Fähigkeiten stehen Solarturmkraftwerke vor großen Herausforderungen. Der Bau ist extrem kapitalintensiv, und die Errichtung dauert lange. Zudem benötigen die Anlagen riesige Flächen, weshalb sie vorrangig für sonnige, wenig besiedelte Regionen wie Wüsten oder Steppen geeignet sind. Ein weiteres Problem ist der Wasserverbrauch für die Kühlung der Dampfturbine, der in den typischen Wüstenstandorten eine Herausforderung darstellt.
Die Forschung arbeitet jedoch mit Hochdruck daran, diese Probleme zu lösen, indem sie die Effizienz der Spiegel und der Speicher erhöht und neue, kostengünstigere Materialien entwickelt.
Schlussfolgerung
Solarturmkraftwerke mit Schmelzsalzspeichern sind keine Allzweck-Lösung, aber sie sind das fehlende Puzzleteil, um aus der Sonnenenergie eine verlässliche 24-Stunden-Energiequelle zu machen. Sie sind der perfekte Partner für Wind- und Photovoltaik-Anlagen und ermöglichen eine grundlegende Transformation unseres Stromnetzes.
Während die Photovoltaik-Module auf unseren Dächern das Bild der Energiewende prägen, sind es die stillen, glühenden Schmelzsalzspeicher in den Wüsten, die das wahre Fundament für eine stabile, grüne und nachhaltige Zukunft legen. Sie sind das leuchtende Versprechen, dass wir die Sonne auch dann noch nutzen können, wenn sie längst untergegangen ist.
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